Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu
«Die Menschen sollen möglichst in der Normalität wohnen und leben»
Die Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu (GAG) mit den drei Standorten Egerkingen, Oensingen und Niederbuchsiten ist eine der grössten Alters- und Pflegeinstitutionen und ein bedeutender Arbeitgeber in der Region. Für Gina Kunst, Vorsitzende der Geschäftsleitung, gilt es, individualisierte Dienstleistungen anzubieten und keine 08.15-Angebote.
Die Betreuung und die Pflege von älteren Menschen, ist – um im Managerdeutsch zu sprechen – eine Wachstumsbranche. Die demografische Entwicklung führt dazu, dass diese Bevölkerungsgruppe stark am Wachsen ist und entsprechend die Nachfrage nach Plätzen in Alters- und Pflegeheimen steigt. Das spürt auch die Genossenschaft für Altersbetreuung und Pflege Gäu (GAG) in Egerkingen. «Die Warteliste wird immer länger», sagt Gina Kunst, Vorsitzende der Geschäftsleitung der GAG.
Drei Alterszentren unter einer Leitung
Die Wurzeln der heutigen GAG reichen bis 1959 zurück. Damals haben die Geschwister Else und Josef Hüsler in Egerkingen die Stiftung «Alters- und Pflegeheim Thal-Gäu» gegründet. 1970 konnte das auf deren Grundstück in Egerkingen erstellte Heim bezogen werden. Seit 2008 stehen drei Alterszentren im Bezirk Gäu unter der Leitung der Genossenschaft. Es sind dies der «Sunnepark» in Egerkingen, der «Roggenpark» in Oensingen sowie das Wohnhaus «Stapfenmatt» in Niederbuchsiten. Um das Wohl der insgesamt 175 Bewohnerinnen und Bewohner kümmern sich rund 200 Mitarbeitende, die sich rund 100 Vollzeitstellen teilen. Der Entscheid, die drei sanierungsbedürftigen Heime unter einer Leitung in der GAG zusammenzufassen, sei primär aus finanziellen Gründen erfolgt, erklärt Kunst. «Das Modell ‚ein Betrieb – drei Standorte’ ermöglicht es, Doppelspurigkeiten zu reduzieren und in zentralen Bereichen Kräfte einzusparen.»
Für Gina Kunst ist klar, dass ein modernes Alters- und Pflegezentrum – sie verwendet ausdrücklich diesen Begriff und nicht Heim – heute keine 08.15-Angebote mehr offerieren sollte. Sie spricht von einer Individualisierung der Dienstleistungen. Die heute eintretenden Bewohnerinnen und Bewohner aus der Baby-Boomer-Generation seien viel selbstbewusster und forderten auch ein. «Sie kommen mit Smartphone und Laptop», sagt die Fachfrau lachend. Auftraggeber seien die Bewohnenden. Da müsse etwa das Angebot an Aktivitäten stetig angepasst werden, die Spannweite reiche von Tanzen, Sprachkursen, über «Lismen» bis hin zum Hirntraining und sportlichen Aktivitäten. Ebenso stiegen die Ansprüche an das Essen und an die Hygienedienstleistungen. Gleichzeitig kämen die älteren Menschen immer später ins Heim, vielfach mit multiplen Krankheiten oder mit Verhaltensauffälligkeiten. Zwei zusätzliche Angebote unter dem Stichwort Individualisierung sind die im vergangenen Jahr in Niederbuchsiten eröffnete Aussenwohngruppe für Menschen mit Demenz (siehe unten) und die im Januar dieses Jahres eröffnete Wohngruppe für pflegebedürftige Menschen mit Behinderung in Egerkingen.
Die in den Heimen praktizierte Philosophie umschreibt Kunst so: «Die Menschen sollen möglichst in der Normalität weiter wohnen und leben.» Das sei zwar einfach gesagt, verlange aber von den Institutionen und vor allem vom Personal viel Einfühlungsvermögen. Es brauche die richtige Dosis von Nähe und Distanz. Es gelte, die Bewohnerinnen und Bewohner möglichst im Alltag einzubinden. In diesem Sinne ist die Betreuung ebenso wichtig wie die Pflege. «Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sind zwar betagt, aber nicht bekloppt. Es sind eigenständige Menschen», sagt Kunst ausdrücklich. Und sie weiss, wovon sie spricht. Die diplomierte Pflegefachfrau mit zahlreichen Weiter- und Zusatzausbildungen arbeitet seit 1987 in der Pflege und war mehrere Jahre auch als Berufsschullehrerin im Gesundheitswesen aktiv. Seit 2011 arbeitet sie in den Alterszentren der GAG als Stellvertreterin der Geschäftsleitung und als Bereichsleiterin Pflegeentwicklung und Projekte. Diesen Sommer hat die 54-Jährige den Vorsitz der Geschäftsleitung der GAG übernommen.
Kosten und Personalrekrutierung
Wie alle Alters- und Pflegeheime sind auch die «Gäuer» durch zwei Herausforderungen besonders gefordert. «Die Zentren verfolgen zwar eine noble Aufgabe, sie müssen aber auch nach betriebswirtschaftlichen Überlegungen geführt werden», hält Kunst fest. Angesichts der hohen Fixkosten des Betriebes müsse deshalb auch die Durchmischung der Bewohnenden nach Pflegestufen stimmen. Die Faustregel laute, je ein Viertel in den tiefsten und in den höchsten Pflegestufen, denn die Einnahmen seien abhängig von der Pflegebedürftigkeit. Besteht da nicht die Tendenz, Betagte in zu hohe Pflegestufen einzuteilen? «Nein, auf keinen Fall», sagt Kunst bestimmt. «Wir würden dadurch unsere Glaubwürdigkeit gefährden und könnten es nicht mit unseren Werten vereinbaren.»
Die zweite Herausforderung ist die Rekrutierung von genügend Fach- und Hilfspersonal. Deshalb investiere man viel in die Lernendenausbildung. «Jährlich bilden wir in den drei Zentren 25 bis 30 Lernende aus - immer mit dem Ziel, diese nach der Ausbildung im Betrieb halten zu können.» Dies sei bei weit über der Hälfte der Fall. Zudem biete man viele Weiterbildungen an. «Unsere Hauptaufgabe ist es, die Lebensqualität und das Wohlbefinden der Bewohnenden hochzuhalten.» Und das gelinge nur dank dem motivierten und engagierten Personal und den rund 100 Freiwilligen, widmet Gina Kunst allen Mitarbeitenden ein Kränzchen.
Quelle: Franz Schaible (im Auftrag der Wirtschaftsförderung), September 2019
Demenzzentrum «Lindenpark» in Balsthal
Vor gut einem Jahr eröffnete die GAG in Niederbuchsiten eine neue Aussenwohngruppe für Menschen mit Demenz. Zuvor galt es als normal, Demenzkranke in geschlossenen Abteilungen zu betreuen. So wurde es auch im Alterszentrum Sunnepark in Egerkingen praktiziert. Die Erfahrungen hätten aber gezeigt, dass das nicht optimal sei, erklärt GAG-Geschäftsführerin Gina Kunst. Bewegung sei für Menschen mit Demenz extrem wichtig. Deshalb sollte eine Bewegungseinschränkung immer das letzte Mittel sein. «Wir versuchen, die Balance zu halten zwischen der grösstmöglichen Autonomie, Lebensqualität und der angemessenen Sicherheit unserer Bewohnenden.»
Um der steigenden Anzahl Menschen mit Demenz zu begegnen, plant die GAG einen Demenzpark in Balsthal. Es sei ein Projekt, wie es in der Schweiz noch nirgends in Betrieb sei. Das Projekt «Lindenpark» wird drei Wohngebäude für zwölf Wohngruppen für rund 70 Menschen mit Demenz sowie pflegebedürftigen Menschen mit einer Behinderung und ein zusätzliches Gebäude mit Einkaufsladen, Restaurant, Gemeinschaftsraum und Büros umfassen. Das Projekt befinde sich auf Kurs, so Kunst. Nach dem Spatenstich im Frühling 2020 sollen die ersten Bewohnerinnen und Bewohner im September 2021 einziehen. Im «Lindenpark» sollen dereinst rund 80 Mitarbeitende tätig sein. Der Standort in Niederbuchsiten wird auf diesen Zeitpunkt hin entweder geschlossen oder eine neue Aufgabe übernehmen.