Patiswiss AG, Gunzgen
«Wir sind die Süssmacher der Nation»
Die Patiswiss AG in Gunzgen beliefert seit über 100 Jahren die Süsswarenindustrie, Konditoreien und Confiserien landesweit mit Halbfabrikaten. Dahinter steckt viel Know-how, die Nachfrage nach umweltverträglichen Produkten steigt. Die traditionsreiche Firma setzt deshalb schon lange auf Nachhaltigkeit.
In einem unscheinbaren Gebäude in der Industriezone in Gunzgen passiert Unerwartetes: In grossen Trommeln werden Haselnüsse, Mandeln, Baumnüsse oder Pistazien geröstet, granuliert, gewalzt oder karamelisiert. Mit den daraus gefertigten Halbfabrikaten wie Röstprodukte, Granulate, Mandelmasse, Marzipane, Pralinémasse, Krokant oder karamelisierte Kerne beliefert die Patiswiss AG schweizweit Süsswarenhersteller, Konditoreien und Confiserien. Sie sorgt dafür, dass Mandelgipfel, Nussstangen, Pralinés, Konfekt, Marzipan, Schokolade oder Biscuit lecker schmecken. «Wir sind die Süssmacher der Nation», sagt CEO Stefan Geller lachend. Obwohl praktisch alle Menschen die Süssigkeiten konsumieren, ist das Unternehmen in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Hauptgrund ist, dass Patiswiss ausschliesslich Verarbeiter beliefert und keine Endkonsumenten – also im B2B-Geschäft tätig ist.
Übernahme von Dragées-Produktion
«Jährlich liefern wir über 1100 Tonnen Halbfabrikate aus», erklärt Geller weiter. Dieser Bereich steuerte im vergangenen Jahr 68 Prozent an den Gesamtumsatz von 16,8 Millionen Franken bei. Weitere 25 Prozent entfallen auf Handelswaren und 7 Prozent auf Rohwaren (Kerne zur Weiterverarbeitung). Zur wichtigsten Kundengruppe entwickelt hat sich mit 48 Prozent die Industrie, gefolgt vom Gewerbe mit 41 Prozent. Die restlichen Anteile entfallen auf Gastro, Grosshandel und Export. Zu den Industriekunden zählen praktisch alle grossen und namhaften Biscuit-, Schokolade-, Confiserie- und Ice-Cream-Hersteller.
Ein wichtiger Schritt in Richtung Produktemix sei diesen Sommer erfolgt, erklärt Geller. «Wir haben die Dragées-Produktion der Berner Firma Gysi AG Chocolatier Suisse erworben und sämtliche Produktions- und Verpackungsanlagen nach Gunzgen transferiert.» Das Berner Traditionsunternehmen musste per Mitte 2020 den Betrieb einstellen. «Der Umzug von 14 Dragierkesseln und zwei Verpackungslinien sowie die Aufnahme der Produktion sind in Rekordzeit erfolgt.» Praktisch alle ehemaligen Gysi-Kunden habe man übernehmen können. «Die Schokoladendragées passen hervorragend in unser Produktportfolio.»
Vollständig palmölfrei
Überdies trägt das Gunzger Unternehmen verstärkt neuen Trends in der Nahrungsmittelindustrie Rechnung. «Die Nachfrage nach umweltverträglichen Produkten steigt stark», beobachtet Geller, der das Unternehmen mit 39 Beschäftigten seit Anfang 2019 leitet. «Bereits seit 2013 sind alle unsere Halbfabrikate palmölfrei.» Als Alternative verwende man Mischungen aus Kakaobutter, Raps, Kokos und Sonnenblumenölen.
Der Angebots-Ausbau an nachhaltigen Produkten sei inzwischen zentral, berichtet Geller. «Wir liefern heute Produkte unter Labeln wie Bio Suisse, EU-Bio oder Fairtrade.» Beispielsweise beschaffe man neu sämtliche Haselnüsse in UTZ-Qualität. «UTZ ist eine Stiftung mit Hauptsitz in Amsterdam. Sie zertifiziert unter anderem Agrarprodukte wie Haselnüsse oder auch Kakao nach ökonomischen, sozialen und ökologischen Standards.»
Pflanzliche Alternativen
Auch sehe man spannende Megatrends in der Ernährung, welche pflanzliche Alternativen zu herkömmlichen Produkten fordern. Er denkt dabei an die steigende Konsumentengruppe der Vegetarier, Veganer und Flexitarier. «Hier sind wir in der Entwicklung sehr aktiv, weil einige unserer bestehenden Rohstoffe die Basis dafür sind», so der 52-jährige Lebensmittelingenieur. Als Beispiel nennt Geller die pflanzliche Parmesan-Alternative. Unter dem Namen «Nussmesan» werde der auf Basis von Mandeln und Cashewnüssen gefertigte Käseersatz erfolgreich vom Grossverteiler Coop abgesetzt.
Aber auch im Bereich Infrastruktur spiele das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Im Verpackungsbereich etwa habe man vor Längerem umgestellt auf Verpackungen, die möglichst wenig Material benötigen und lange nutzbar seien. Zudem soll in den Produktionsprozessen von fossilen Brennstoffen auf Solarenergie umgestellt werden. Deshalb sei geplant, 2021 das ganze Dach der Produktionshallen mit Solarzellen zu bestücken «Alle diese Schritte sollen unseren Betrieb nachhaltiger und umweltfreundlicher machen.»
Für das laufende Jahr rechnet Geller mit einem Umsatzrückgang von 10 bis 15 Prozent. Der durch das Coronavirus verursachte Lockdown führte in den Monaten April bis Juli zu Einbussen von bis zu 70 Prozent. Inzwischen habe sich die Geschäftslage wieder etwas erholt. Im August habe man die Kurzarbeit aufheben können. Patiswiss gilt als einer der führenden Schweizer Hersteller für süsse und gewürzte Halbfabrikate. Diese Stellung wolle man nicht aufgeben und das Ziel bleibe die Unabhängigkeit, versichert Geller. Dazu sei das Unternehmen stark genug.
Basis 1905 gelegt
Das Fundament für die heutige Patiswiss AG wurde 1905 in Basel gelegt. Damals wurde die Einkaufsgenossenschaft Confiseur (EG-Confiseur) gegründet. Sie diente dem Schweizerischen Konditor-Confiseriemeisterverband als Einkaufszentrale. 1931 begann die eigene Produktion von Cremen und Backpulver. 1982 wurde am heutigen Standort in Gunzgen ein neues Verteilzentrum eröffnet, 2003 folgte die Umwandlung der Genossenschaft in die Patiswiss AG, und ein Jahr später wurden alle Aktivitäten von Basel nach Gunzgen verlagert. Patiswiss zählt rund 500 Aktionäre, wobei keiner mehr als zehn Prozent der Aktien hält.
Text: Franz Schaible (im Auftrag der Wirtschaftsförderung), September 2020